Januar 2021 Radio fsk

Der Exit!-Lesekreis in HH sendet regelmĂ€ĂŸig einen Beitrag unter dem Titel rotten system! rotten world? auf Radio FSK [Freies Sender Kombinat, Hamburg], und zwar immer

  • jeden zweiten Mittwoch im Monat von 08:00 bis 10:00 Uhr vormittags.

Die BeitrĂ€ge werden auch jeweils im transmitter, der Programmzeitschrift von Radio FSK angekĂŒndigt.

Im Januar senden wir den Vortrag Frauenkampf = Klassenkampf als Antwort auf die fundamentale Krise? Geschlecht wieder einmal als Nebenwiderspruch!? Eine Kritik des Manifests „Feminismus fĂŒr die 99 %“ (Vortrag und Diskussion | Text) von Roswitha Scholz vom exit!-Seminar 2020 Der Kollaps der Modernisierung heute I (siehe auch Programm und Anmeldung).

Nach der Zeit eines dekonstruktivistischen Feminismus bestimmen seit den KrisenschĂŒben Ende der 1990er Jahre (Krise der Kleinen Tiger, Etablierung von Hartz-IV, Finanzmarktkrise 2008 ff. u.a.) in den letzten Jahren marxistisch-materialistische AnsĂ€tze den feministischen Diskurs. Je mehr sich der Kollaps der Modernisierung (Robert Kurz) seither zeigt, desto mehr droht das Pendel gar in eine vulgĂ€rmarxistische Richtung umzuschlagen. Deutlich wird das insbesondere in dem Manifest „Feminismus fĂŒr die 99 %“ von Cinzia Arruzza, Tithi Bhattacharya und Nancy Fraser, in dem etwa Rasse, Klasse, Geschlecht nur oberflĂ€chlich, vermeintlich gleichberechtigt, miteinander vermittelt werden. Die darin vertretene Position lĂ€uft so einfach auf einen androzentrischen Kapitalismus als „Master-Komplex“ hinaus, ohne dem Anderem des Kapitalismus als solchem wirklich Rechnung zu tragen. Naturbeherrschung wird nur einem allein auf das „Plusmachen“ ausgerichteten Kapitalismus und seinen Agenten zugeschrieben. Zu kritisieren ist, dass das asymmetrische GeschlechterverhĂ€ltnis, aber auch Rassismus, Homophobie usw. wieder einmal zu NebenwidersprĂŒchen gemacht werden, wie vormals schon in marxistisch-traditionellen Konzepten.

Dezember 2020 Radio fsk

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Im Dezember senden wir den Vortrag Zum Kollaps ökonomischer Begrifflichkeit (Vortrag und Diskussion | Folien zum Vortrag) von Knut HĂŒller vom exit!-Seminar 2020 Der Kollaps der Modernisierung heute I (siehe auch Programm und Anmeldung). Wir verweisen zudem auf seine Publikation Immer mĂŒhsamer hĂ€lt sich die Profitrate. Eine Studie ĂŒber theoretische und praktische Rettungsversuche am SpĂ€tkapitalismus [Download].

Bedurfte es noch eines Beweises, wie labil die spĂ€tkapitalistische Ordnung geworden ist, dann erbrachte ihn Covid-19. Sichtbar zerfallen die ideologischen Grundlagen dieser Ordnung, indem der„böse Staat“ unter allgemeinem Beifall flĂ€chendeckend die „gute Wirtschaft“ rettet. Das fĂŒhrt offen das bĂŒrgerliche Ideal der freien Konkurrenz ad absurdum. Weniger offensichtlich stellt es die marxistische Analyse vor die Frage, wie sich das Explodieren von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit (alias: Schrumpfen der Arbeit) mit einer Geldflutung der „Wirtschaft“ vertrĂ€gt. Woher kommt „das viele Geld“ ĂŒberhaupt? Ist es womöglich „Geld ohne Wert“ (Robert Kurz), also etwas, das es nach klassischer wie marxistischer Analyse gar nicht geben dĂŒrfte? Es ist daher höchste Zeit, sich mit der SchlĂŒssigkeit der Basis(!)kategorien ökonomischer Klassik zu befassen. Wie kann einS die (u.a.) durch den Dualismus von Tauschwert und Gebrauchswert geprĂ€gte Warenform infrage stellen, aber die Komponente „Gebrauchswert“ als – selbstgenĂŒgsam alleinstehendes – Positivum behandeln? Wie ist noch Wachstum der 'Wertsubstanz' Arbeit möglich, sobald die kapitalistische Produktionsweise alle Regionen der Erde und alle Schichten der Gesellschaft erfasst hat? Gegenstand des Vortrags ist weniger die ökonomische Wirklichkeit als die verbogene Begrifflichkeit, mit der klassische und marxistische Theoretiker diese RealitĂ€t erfassen bzw. vernebeln woll(t)en. Gerade dies aber soll zumindest einen Teil dieser RealitĂ€t sichtbar machen.

November 2020 Radio fsk

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FĂŒr November vorgesehen war die Aufnahme des Vortrags Der Tod des Westens und Corona von Tomasz Konicz vom exit!-Seminar 2020 Der Kollaps der Modernisierung heute I (siehe auch Programm und Anmeldung), welches krankheitsbedingt leider ausfallen musste. Eine ausgearbeitete Fassung wird unter dem Titel Das Ende des Westens in der Corona-Krise in exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr. 18 im Mai 2021 erscheinen.

Stattdessen wurde der Vortrag Zum historischen Bedingungszusammenhang der Wert- und Abspaltungskritik von Robert Kurz aus dem Jahre 2010 eingespielt und diskutiert, weswegen wir diesen im November auf Radio FSK ausgestrahlt haben. Siehe die Aufnahme und Diskussion im Audioarchiv kritischer Theorie & Praxis.

Der Vortrag thematisiert die Entstehung und den Anspruch der Wert-Abspaltungskritik. Robert Kurz [1943-2012] entfaltete hier nicht nur den theoriegeschichtlichen Ablauf, sondern insbesondere auch die historische Selbstverortung von kritischer Theoriebildung in ihrem je eigenen gesellschaftlichen Bedingungszusammenhang ĂŒberhaupt. Abschließend werden die Differenzen zur »neuen MarxlektĂŒre« herausgearbeitet.

Gehalten wurde der Vortrag im Rahmen des Sommerworkshops 2010 „Eine Woche Wert-Abspaltungskritik und Urlaub“ am Werbellinseee (siehe Programm und AnkĂŒndigungstexte), organisiert vom Ver­ein fĂŒr kri­ti­sche Ge­sell­schafts­wis­sen­schaf­ten e.V. und dem damaligen Wert-​Ab­spal­tungs­kri­ti­schen Lese- und Dis­kus­si­ons­kreis Ber­lin.

Oktober 2020 Radio fsk

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Im Oktober bringen wir zwei aufeinander aufbauende Sendungen zur Kritik der modernen Naturwissenschaft aus der Reihe N.P.C., das politische Abendmagazin, und zwar Teil 1 und Teil 2 des Vortrages Gesellschafts- und Erkenntnisform von Claus Peter Ortlieb zum Zusammenhang von bĂŒrgerlicher Vergesellschaftung und moderner Erkenntnisform. Aufgezeichnet in der Kooperative Haina am 8./9. September 2001, gesendet im Radio F.R.E.I., Erfurt. Moderation: Christian Höner.

Im ersten Teil geht es um das empirische Bild der modernen Wissenschaften: Nicht nur im AlltagsverstĂ€ndnis legitimieren sich die modernen Wissenschaften dadurch, daß sie die VorgĂ€nge der Erfahrungswelt durch Gesetze bestĂ€tigen und insofern nur Tatsachen offenbaren. Claus Peter Ortlieb widerlegt die falsche Annahme, daß es den modernen Wissenschaften ihrer Methode nach darum gehe, Tatsachen der Erfahrungswelt zu bestĂ€tigen. Vielmehr gehen die Wissenschaften von allgemeingĂŒltigen Gesetzen aus, deren Richtigkeit erst im Nachhinein im Experiment produziert werden muß. Es stellt sich die Frage, warum das "empirische Bild der modernen Wissenschaften" so hartnĂ€ckig sowohl im Alltagsbewusstsein als auch im Wissenschaftsbetrieb verankert ist.

Im zweiten Teil wird untersucht, wie das gesellschaftliche Sein mit dem erkennenden Bewußtsein zusammenhĂ€ngt. Ortlieb versucht dabei nicht, in arbeiterbewegungsmarxistischer Manier das herrschende Bewußtsein aus der Herrschaft einer Klasse oder einer speziellen Interessengruppe abzuleiten. Ihm geht es vielmehr darum, strukturelle Parallelen zwischen den durch abstrakte Arbeit vermittelten gesellschaftlichen Objektivierungsprozessen und der wissenschaftlichen Methode aufzuzeigen. Über diese Analyse eröffnet sich ein neuer Zugang zur Kritik des modernen Wissenschaftsbetriebes, seines Inhaltes und seiner Methoden.

September 2020 Radio fsk

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FĂŒr September hat unsere Kontakperson im Freien Sender Kombinat eine alte Sendung von rotten system! rotten world? aus den Archiven gezogen: Systemische Ursachen der globalen Krise, ein Vortrag von Claus Peter Ortlieb gehalten am 15. MĂ€rz 2012 in Hamburg aus der Reihe rotten system! rotten world? Veranstaltungen zum Niedergang des Kapitalismus und seiner ideologischen Verarbeitung, die vom exit! Lesekreis in Hamburg in den Jahren 2012, 2013 und 2014 im Centro Sociale organisiert wurden, siehe auch http://rottensystem.blogsport.eu

Ist fĂŒr unsere VerhĂ€ltnisse gut produziert, und sogar hörbar, da durchsetzt mit nicht unertrĂ€glicher Musik, daher leider auch nicht frei abrufbar. Bei Interesse senden wir die Sendung gerne zu. Immerhin hier die Folien zum Vortrag.

“ … alle Wissenschaft wĂ€re ĂŒberflĂŒssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen.“ Marx, Kapital III (MEW 25: 825)

August 2020 Radio fsk

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Aber im August haben wir einfach mal Pause gemacht. Schön ist, dass auch unabhÀngig von uns interessante Sendungen laufen, hier am Freitag, den 09. August um 08:00 Uhr:  Kritik als Denkform. Von den Voraussetzungen kritischen Denkens [1|2|3] aus der Reihe Sachzwang FM von Dr. Indoktrinator.

Kritisch? ...sind wir doch irgendwie alle. Sollte man meinen. Irgendetwas doof zu finden oder abzulehnen, macht jedoch noch keine Kritik aus, nicht mal ein Urteil. Es ist zunĂ€chst eine unverbindliche BefindlichkeitsĂ€ußerung. Um also den Unterschied zwischen Gemoser und Kritik herauszukitzeln, muß man tiefer graben; hierzu ist es ebenso notwendig wie lohnend, philosophisch zu werden. (Philosophie = „Freude am Denken“)

An die Wurzeln gehende Gesellschaftskritik sieht sich wegen ihrer extremen Minderheitsposition heute schnell in der Situation eines Menschen, der in eine Irrenanstalt geraten ist, deren Insassen erkennbar alle dem selben Wahn verfallen sind. Jeder Versuch, die Lage zu klĂ€ren, fĂŒhrt unweigerlich dazu, selbst fĂŒr verrĂŒckt gehalten zu werden. Normal ist schließlich immer die Mehrheit. Claus Peter Ortlieb

Mit Claus Peter Ortlieb (1947–2019) ist im September 2019 ein Denker und Theoretiker verstorben, dem wichtige Impulse in Sachen fundamentaler Gesellschafts- und Wissenschaftskritik zu verdanken sind. Obschon Professor fĂŒr Mathematik, bestand Ortliebs Leidenschaft darin, die eigenen – beschrĂ€nkten – Denkformen des Positivismus, jene eingeschliffenen Verfahrensweisen selbstgenĂŒgsamen Formalisierens und Modellierens, infrage zu stellen und in subversiver Absicht zu ĂŒberschreiten. Wir prĂ€sentieren heute einen bemerkenswerten Aufsatz Ortliebs aus dem Jahr 2000, dessen Titel schon fĂŒr sich spricht: Gesellschaftskritik als Erkenntniskritik. Anmerkungen zu der Frage, warum Kritik der Theorie bedarf und wo deren Grenzen liegen. Denn oft wird man sich ja schon mal gefragt haben, warum – eigentlich evidente – kritische BasisbanalitĂ€ten bei so wenigen Leuten verfangen, sprich auf intellektuelle Resonanz stoßen. Inwiefern also Schwierigkeiten der Erkenntnis (oder auch nur Widrigkeiten des Erkenntnisinteresses) auf der Seite der Rezipienten zu suchen sind oder nicht doch auch im Gegenstand selbst. Leute, die der weitverbreiteten Ansicht sind, die real existierende sei zwar nicht die beste aller Welten, aber doch die einzige, mĂŒssen sich fragen lassen, wie ernst sie sich selbst nehmen.

Ähnlich grundsĂ€tzlich versucht Leo Elser in einem Vortrag aus dem Jahr 2011, Wesensmerkmalen gelingender Kritik nachzuspĂŒren. Nach Marx ist die Kritik der Religion die Voraussetzung aller Kritik. Doch besteht auch in Zeiten wie den unseren, in denen das Bekenntnis gegen die etablierte Religion zum guten Ton gehört, kein Mangel an Götzen, die der „durch seine Gesundheit erkrankte Menschenverstand“ (Adorno) aufbietet, um nur eines nicht werden zu mĂŒssen: Vernunft. Vernunft und Kritik, die in unvernĂŒnftigen VerhĂ€ltnissen notwendig dasselbe sind, teilen mit der traditionellen Theologie aber ihren Bezug auf das Ganze und den Anspruch auf Wahrheit. So wie sich die bloße Meinung gegen die Kirche als Religionskritik mißversteht, so auch die Meinung gegen die Banken als Kapitalismuskritik. Beides ist mitnichten „verkĂŒrzte Kritik“, die aufs richtige Maß zu verlĂ€ngern sich linke Intellektuelle zur Aufgabe gemacht haben, sondern zum Ressentiment versteinerte Denkform dessen, was ohnehin ist, aber nicht mehr sein darf, wenn Vernunft wirklich werden soll.

Alles Denken - ohne Ausnahme - ist in seinen Formen durch die Gesellschaft determiniert, in der es stattfindet. Claus Peter Ortlieb

Leider ist die Sendung bislang nicht frei verfĂŒgbar.

Juli 2020 Sendung Radio fsk

Der Exit!-Lesekreis in HH sendet regelmĂ€ĂŸig einen Beitrag unter dem Titel rotten system! rotten world? auf Radio FSK [Freies Sender Kombinat, Hamburg], und zwar immer

  • jeden zweiten Mittwoch im Monat von 08:00 bis 10:00 Uhr vormittags.

Die BeitrĂ€ge werden auch jeweils im transmitter, der Programmzeitschrift von Radio FSK angekĂŒndigt.

Aus aktuellem Anlaß [Stichworte Klimawandel, Corona-Pandemie] senden wir in den Monaten April, Mai, Juni und Juli 2020 die BeitrĂ€ge des exit! Seminars 2013 Gesellschaftliche NaturverhĂ€ltnisse: „[…] Wenn wir von gesellschaftlichen NaturverhĂ€ltnissen sprechen, geht es […] um das VerhĂ€ltnis von Natur und kapitalistischem Patriarchat, das sich nicht in postmoderne PluralitĂ€t auflösen lĂ€sst. Ökologische Probleme können unter kapitalistischen Bedingungen nicht gelöst werden;  darĂŒber hinaus weisen neue ökologische Bewegungen starke ideologische Momente auf, die bei fortschreitender Krise ihr Destruktionspotential erst voll entfalten könnten, wie anhand der Postwachstumsbewegung aufgezeigt wird. Außerdem werden Überlegungen zum Androzentrismus in der Geschichte der Naturwissenschaften und zur „Natur des Subjekts und des Staates“ angestellt.

Dokumentation des Seminars Gesellschaftliche NaturverhÀltnisse inklusive aller VortrÀge im Audioarchiv kritischer Theorie und Praxis.

Juni 2020 [Teil 4]: Daniel SpÀth, Postwachstumsbewegung: Eine Variante (links)liberaler KrisenverdrÀngung [Vortrag: Teil 1 | Teil 2].

Es ist ein Wesensmerkmal des linken ideologiekritischen Reduktionismus, sich in den vielfĂ€ltigen PolaritĂ€ten moderner SubjektivitĂ€t einzurichten und damit Freiheit im Sinne Adornos, als kritische Verweigerung gegenĂŒber den herrschenden Alternativen, der PartikularitĂ€t zu ĂŒberantworten. Ob nun der Idealismus zu einem Materialismus (Hegel vom Kopf auf die FĂŒĂŸe gestellt) oder aber der Subjektivismus zu einem Objektivismus („Historischer Materialismus“) gewendet wird, das Resultat ist immer dasselbe: Als kritische Weiterentwicklung der bĂŒrgerlichen Vernunft apostrophiert, desavouiert sich der identitĂ€tslogische Anbau an der modernen Theoriearchitektur nicht etwa als transzendierende Kritik, sondern regelmĂ€ĂŸig als ein immanenter Widerpart. Dieser Reduktionismus blamiert sich insbesondere in der Krise des warenproduzierenden Patriarchats. Der westliche Linksradikalismus, der statt der Fundamentalkrise ĂŒberall „Chancen“ und „Aushandlungsoptionen“ wittert, hat die realgeschichtlichen Metamorphosen der AufklĂ€rungsvernunft nicht ĂŒberwunden, welche vielmehr zum unhinterfragbaren SelbstverstĂ€ndnis sedimentierte. Der weithin neoliberalisierten Linken scheinen sich quasi naturwĂŒchsig neue Alternativen zu eröffnen: „AufklĂ€rung“ versus „GegenaufklĂ€rung“, „Vernunft“ versus „Unvernunft“, „Liberalismus“ versus „Volkstum“ etc., wobei, der identitĂ€tslogischen Versessenheit folgend, erstere gerne dem „rationalen Westen“ und letztere irgendwelchen „irrationalen Banden“ zugeordnet werden, wodurch der eigene mĂ€nnlich-westliche, weiße Standpunkt wieder mal fein raus ist.

Einer derart verkĂŒrzten „Ideologiekritik“ muss die „Postwachstumsbewegung“ als Wiederkehr eines ausgemacht völkischen Denkens gelten. Schließlich operieren ihre VertreterInnen nicht nur mit einem positiven Naturbegriff, darĂŒber hinaus verweisen die diversen BegrĂŒndungsmodi eines „falschen Wachstums“ auf eine strukturell antisemitische Ideologie, deren Ursachendiagnostik bezĂŒglich der Krise sich ausschließlich auf das dĂ€monisierte Finanzkapital und den inkriminierten Zins kapriziert. FĂŒr die assoziative Grundgesinnung des postmodernisierten Linksradikalismus bedĂŒrfte es hierbei keinerlei dialektischer BegrĂŒndung mehr, zumindest dort, wo derartige Sachverhalte noch einem Anspruch der Kritik unterliegen: Naturversessenheit und struktureller Antisemitismus – na, wenn das kein völkisches Denken ist... Allerdings handelt es sich hierbei um einen Trugschluss. Denn dass struktureller Antisemitismus und ein problematischer Naturbegriff gleichwohl zu Bestandteilen liberaler Gesinnung gerinnen können, soll an ausgewĂ€hlten Texten jener „Postwachstumsbewegung“ rekonstruiert werden. In diesem Sinne wird der erste Teil des Vortrags einen erkenntnis- und ideologiekritischen Durchgang durch zentrale Referenztheorien der Postwachstumsideologie (Immanuel Kant/ Silvio Gesell) versuchen, um den gemeinsamen epistemologischen Bezugsrahmen einer liberalen Zins- bzw. Geld„kritik“ offenzulegen, um sodann ihre zentrale Kategorie in den Fokus zu rĂŒcken: Die Natur. Auch weitere wichtige Aspekte der Postwachstumsbewegung (RegionalwĂ€hrung, quasi subsistenzwirtschaftliche Arbeitsformen, neue MaßstĂ€be des Wachstums etc.) werden dabei einer Kritik unterzogen und in den Kontext der Fundamentalkrise gerĂŒckt, deren konstitutiver Bedingungszusammenhang fĂŒr jene liberale „Kritik“ des Wachstums evident ist.

Wir verweisen auch auf den Text Liberalismus in der Fundamentalkrise: Eine Kritik der „Postwachstumsbewegung“ sowie in verĂ€nderter Fassung »Postwachstum« oder die Krise der Vernunft. Zu einem Syndrom liberaler Fortschrittslosigkeit.

Daniel SpÀth war Mitglied der Redaktion der Theoriezeitschrift EXIT!. Weitere Texte von Daniel SpÀth auf exit-online.org [=> AutorInnen].

Juni 2020 Sendung Radio fsk

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Aus aktuellem Anlaß [Stichworte Klimawandel, Corona-Pandemie] senden wir in den Monaten April, Mai, Juni und Juli 2020 die BeitrĂ€ge des exit! Seminars 2013 Gesellschaftliche NaturverhĂ€ltnisse: „[…] Wenn wir von gesellschaftlichen NaturverhĂ€ltnissen sprechen, geht es […] um das VerhĂ€ltnis von Natur und kapitalistischem Patriarchat, das sich nicht in postmoderne PluralitĂ€t auflösen lĂ€sst. Ökologische Probleme können unter kapitalistischen Bedingungen nicht gelöst werden;  darĂŒber hinaus weisen neue ökologische Bewegungen starke ideologische Momente auf, die bei fortschreitender Krise ihr Destruktionspotential erst voll entfalten könnten, wie anhand der Postwachstumsbewegung aufgezeigt wird. Außerdem werden Überlegungen zum Androzentrismus in der Geschichte der Naturwissenschaften und zur „Natur des Subjekts und des Staates“ angestellt.

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Juni 2020 [Teil 3]: Karina Korecky, „Man nennt mich Natur und ich bin doch ganz Kunst“: Zur Natur des Subjekts und des Staates [Vortrag].

Wer in kritischer Absicht von den GrĂŒnden fĂŒr Unfreiheit, UnterdrĂŒckung und Diskriminierung spricht, verortet diese normalerweise in der Gesellschaft oder im Sozialen, keineswegs in der Natur. Alles, was gesellschaftlich, sozial, gemacht oder konstruiert ist, kann verĂ€ndert werden, wĂ€hrend „Natur“ Ungleichheit und Zwang verfestigt und legitimiert. Einst war das genau anders herum: Die Natur war gut und ihr zum Durchbruch zu verhelfen Programm der AufklĂ€rung zur Durchsetzung von Freiheit und Gleichheit. Die freundliche Natur der AufklĂ€rung des ausgehenden 18. Jahrhunderts wurde zweihundert Jahre spĂ€ter zur Berufungsinstanz fĂŒr Ungleichheit. Wer heute fĂŒr gleiche Rechte kĂ€mpft, kritisiert „Naturalisierung“ und „Biologismus“. Am konsequentesten – sozusagen als AufklĂ€rung mit umgekehrten Vorzeichen – geht dabei der linke Poststrukturalismus vor, der eine klare FeinderklĂ€rung an Natur abgibt und auf die FĂ€higkeiten des Geistes zur (De-)Konstruktion setzt. DemgegenĂŒber steht in der linken Debatte ein eher hilfloser und vage bleibender Verweis auf Natur als das unverfĂŒgbare Moment, das sich sperrt, nicht aufgeht im beherrschenden Zugriff – manchmal verbunden mit der Hoffnung, da möge es ein Außen der gesellschaftlichen TotalitĂ€t geben, vielleicht sogar einen Ausgangspunkt, an dem der revolutionĂ€re Hebel angesetzt werden kann. Der Vortrag handelt von der inneren Natur als Voraussetzung von Subjekt (Natur des Menschen) und Staat (Naturzustand) und ihrer Geschichte. Gezeigt werden soll, dass Materialismus nicht heißen kann, nach dem richtigen Naturbegriff zu suchen, sondern die Geschichte des VerhĂ€ltnisses von Geist und Natur zu erzĂ€hlen: von der Befreiung versprechenden Natur zur Biopolitik [1] [2] [3] des autoritĂ€ren Staates.

Karina Korecky ist Soziologin und Politikwissenschaftlerin [1] [2] [3] [4] mit den Schwerpunkten Soziologie mentaler Gesund- und Krankeit, Soziologie öffentlicher Gesundheitsversorgung, Politische Theorie und Feministische Theorie.

In der Zeitschrift exit! Heft 9 (2012) veröffentlichte sie den Text Wo die Liebe zu den Gesetzen im Staate ruht. Über den Zusammenhang von Weiblichkeit und Nation [Inhalt und Editorial] [Zusammenfassungen].

Mai 2020 Sendung Radio fsk

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Aus aktuellem Anlaß [Stichworte Klimawandel, Corona-Pandemie] senden wir in den Monaten April, Mai, Juni und Juli 2020 die BeitrĂ€ge des exit! Seminars 2013 Gesellschaftliche NaturverhĂ€ltnisse: „[…] Wenn wir von gesellschaftlichen NaturverhĂ€ltnissen sprechen, geht es […] um das VerhĂ€ltnis von Natur und kapitalistischem Patriarchat, das sich nicht in postmoderne PluralitĂ€t auflösen lĂ€sst. Ökologische Probleme können unter kapitalistischen Bedingungen nicht gelöst werden;  darĂŒber hinaus weisen neue ökologische Bewegungen starke ideologische Momente auf, die bei fortschreitender Krise ihr Destruktionspotential erst voll entfalten könnten, wie anhand der Postwachstumsbewegung aufgezeigt wird. Außerdem werden Überlegungen zum Androzentrismus in der Geschichte der Naturwissenschaften und zur „Natur des Subjekts und des Staates“ angestellt.

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Mai 2020 [Teil 2]: Johannes Bareuther, Zum Androzentrismus der naturbeherrschenden Vernunft [Vortrag | Diskussion] (siehe auch der gleichnamige Text in EXIT!, Heft 12).

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Entstehung der neuzeitlichen Naturwissenschaften und der kapitalistischen Vergesellschaftung, aus dem sich auch deren destruktive Tendenzen erklĂ€ren. Der Vortrag stellt, dabei an die feministische Wissenschaftskritik anknĂŒpfend, Überlegungen an, wie eine wert-abspaltungs-theoretisch akzentuierte Kritik der Naturwissenschaft aussehen kann. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der historischen Konstitutionsphase um das 17. Jahrhundert. Das Referat arbeitet die Grenzen des Buches Im Takt des Geldes von Eske Bockelmann sowie den Zusammenhang von Geschlecht und Wissenschaft heraus und nimmt Bezug auf den grundlegenden Text Bewusstlose ObjektivitĂ€t von Claus Peter Ortlieb.

April 2020 Sendung Radio fsk

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Aus aktuellem Anlaß [Stichworte Klimawandel, Corona-Pandemie] senden wir in den Monaten April, Mai, Juni und Juli 2020 die BeitrĂ€ge des exit! Seminars 2013 Gesellschaftliche NaturverhĂ€ltnisse: „[…] Wenn wir von gesellschaftlichen NaturverhĂ€ltnissen sprechen, geht es […] um das VerhĂ€ltnis von Natur und kapitalistischem Patriarchat, das sich nicht in postmoderne PluralitĂ€t auflösen lĂ€sst. Ökologische Probleme können unter kapitalistischen Bedingungen nicht gelöst werden;  darĂŒber hinaus weisen neue ökologische Bewegungen starke ideologische Momente auf, die bei fortschreitender Krise ihr Destruktionspotential erst voll entfalten könnten, wie anhand der Postwachstumsbewegung aufgezeigt wird. Außerdem werden Überlegungen zum Androzentrismus in der Geschichte der Naturwissenschaften und zur „Natur des Subjekts und des Staates“ angestellt.

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April 2020 [Teil 1]: Claus Peter Ortlieb, Kapitalistische Krise und Naturschranke.

Anders als die ökonomische Krise, die in der bĂŒrgerlichen Öffentlichkeit als vorĂŒbergehende Erscheinung gedeutet wird, wird die ökologische Krise dort durchaus als Grundproblem der modernen Lebensweise wahrgenommen. Allzu offensichtlich ist der Widerspruch zwischen den ökonomischen Wachstumsimperativen auf der einen und der Endlichkeit der stofflichen Ressourcen auf der anderen Seite. Solange allerdings die kapitalistische Produktionsweise fĂŒr so natĂŒrlich gehalten wird wie die Luft zum Atmen, beruhen alle Problemlösungen auf Fiktionen: WĂ€hrend die einen die Naturschranke unter Hinweis auf den technischen Fortschritt als nicht existent vom Tisch wischen, vernachlĂ€ssigen oder verniedlichen die anderen die systemischen ZwĂ€nge und halten allen Ernstes einen Kapitalismus ohne Wachstum fĂŒr möglich. Dazwischen versucht eine Mehrheit, das Problem durch die Kreation logisch unvertrĂ€glicher Begriffe wie den des „nachhaltigen Wachstums“ zu vernebeln und sich so die Vereinbarkeit des Unvereinbaren einzureden.

Zur KlĂ€rung der Frage, was da eigentlich so zwanghaft wĂ€chst, sollen im Referat die im Laufe der kapitalistischen Entwicklung dynamisch sich verĂ€ndernden Beziehungen zwischen Mehrwertproduktion, stofflichem Output und Ressourcenverbrauch und die aus ihnen resultierenden WachstumszwĂ€nge untersucht werden. Dabei zeigt sich, dass ökonomische und ökologische Krise einerseits dieselbe Ursache in dem immer weiteren Auseinandertreten von stofflichem und abstraktem Reichtum haben. Auf der anderen Seite geraten die innerkapitalistischen Lösungsversuche fĂŒr beide Krisen miteinander zunehmend in Widerspruch: WĂ€hrend etwa im Rezessionsjahr 2009 die weltweite CO2-Emission tatsĂ€chlich leicht zurĂŒckging, laufen die vergeblichen Versuche zur BewĂ€ltigung der ökonomischen Krise darauf hinaus, noch die letzten natĂŒrlichen Schranken gewaltsam zu durchbrechen.

Literaturliste zum Vortrag „Warum der Kapitalismus die Umwelt zerstören muss“ von C.P. Ortlieb.

Weiter Texte von Claus Peter Ortlieb