Juli 2020

Der Exit!-Lesekreis in HH zur Wert-Abspaltungskritik findet aufgrund der aktuellen Krisenentwicklung (siehe auch die BlogeintrĂ€ge Corona-Pandemie und Globale Krise […]) bis auf Weiteres im informellen Rahmen statt.

…and politics.

Wir befassen uns weiter mit dem gesellschaftlichen Krisenverlauf vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, in diesem Monat versuchen wir einen Blick auf die Wechselwirkungen mit der ökonomischen Krise [wobei die unterschiedlichen Ebenen aufeinander bezogen gedacht werden mĂŒssen und gar nicht voneinander getrennt werden können/ dĂŒrfen] und eine AnnĂ€herung an den Begriff Todestrieb.

Zur ökonomischen Krise verweisen wir auf zwei grundlegende Texte der entwickelten Krisentheorie:

  1. Robert Kurz: Die Krise des Tauschwerts [1986]
  2. Claus Peter Ortlieb: Ein Widerspruch von Stoff und Form [2009]

Zudem folgende Texte von Tomasz Konicz [Blog]:

Texthinweise zum Begriff Todestrieb folgen.

Kontakt: kontakt [at] exit-lesekreis-hh.de

Juli 2020 Sendung Radio fsk

Der Exit!-Lesekreis in HH sendet regelmĂ€ĂŸig einen Beitrag unter dem Titel rotten system! rotten world? auf Radio FSK [Freies Sender Kombinat, Hamburg], und zwar immer

  • jeden zweiten Mittwoch im Monat von 08:00 bis 10:00 Uhr vormittags.

Die BeitrĂ€ge werden auch jeweils im transmitter, der Programmzeitschrift von Radio FSK angekĂŒndigt.

Aus aktuellem Anlaß [Stichworte Klimawandel, Corona-Pandemie] senden wir in den Monaten April, Mai, Juni und Juli 2020 die BeitrĂ€ge des exit! Seminars 2013 Gesellschaftliche NaturverhĂ€ltnisse: „[…] Wenn wir von gesellschaftlichen NaturverhĂ€ltnissen sprechen, geht es […] um das VerhĂ€ltnis von Natur und kapitalistischem Patriarchat, das sich nicht in postmoderne PluralitĂ€t auflösen lĂ€sst. Ökologische Probleme können unter kapitalistischen Bedingungen nicht gelöst werden;  darĂŒber hinaus weisen neue ökologische Bewegungen starke ideologische Momente auf, die bei fortschreitender Krise ihr Destruktionspotential erst voll entfalten könnten, wie anhand der Postwachstumsbewegung aufgezeigt wird. Außerdem werden Überlegungen zum Androzentrismus in der Geschichte der Naturwissenschaften und zur „Natur des Subjekts und des Staates“ angestellt.

Dokumentation des Seminars Gesellschaftliche NaturverhÀltnisse inklusive aller VortrÀge im Audioarchiv kritischer Theorie und Praxis.

Juni 2020 [Teil 4]: Daniel SpÀth, Postwachstumsbewegung: Eine Variante (links)liberaler KrisenverdrÀngung [Vortrag: Teil 1 | Teil 2].

Es ist ein Wesensmerkmal des linken ideologiekritischen Reduktionismus, sich in den vielfĂ€ltigen PolaritĂ€ten moderner SubjektivitĂ€t einzurichten und damit Freiheit im Sinne Adornos, als kritische Verweigerung gegenĂŒber den herrschenden Alternativen, der PartikularitĂ€t zu ĂŒberantworten. Ob nun der Idealismus zu einem Materialismus (Hegel vom Kopf auf die FĂŒĂŸe gestellt) oder aber der Subjektivismus zu einem Objektivismus („Historischer Materialismus“) gewendet wird, das Resultat ist immer dasselbe: Als kritische Weiterentwicklung der bĂŒrgerlichen Vernunft apostrophiert, desavouiert sich der identitĂ€tslogische Anbau an der modernen Theoriearchitektur nicht etwa als transzendierende Kritik, sondern regelmĂ€ĂŸig als ein immanenter Widerpart. Dieser Reduktionismus blamiert sich insbesondere in der Krise des warenproduzierenden Patriarchats. Der westliche Linksradikalismus, der statt der Fundamentalkrise ĂŒberall „Chancen“ und „Aushandlungsoptionen“ wittert, hat die realgeschichtlichen Metamorphosen der AufklĂ€rungsvernunft nicht ĂŒberwunden, welche vielmehr zum unhinterfragbaren SelbstverstĂ€ndnis sedimentierte. Der weithin neoliberalisierten Linken scheinen sich quasi naturwĂŒchsig neue Alternativen zu eröffnen: „AufklĂ€rung“ versus „GegenaufklĂ€rung“, „Vernunft“ versus „Unvernunft“, „Liberalismus“ versus „Volkstum“ etc., wobei, der identitĂ€tslogischen Versessenheit folgend, erstere gerne dem „rationalen Westen“ und letztere irgendwelchen „irrationalen Banden“ zugeordnet werden, wodurch der eigene mĂ€nnlich-westliche, weiße Standpunkt wieder mal fein raus ist.

Einer derart verkĂŒrzten „Ideologiekritik“ muss die „Postwachstumsbewegung“ als Wiederkehr eines ausgemacht völkischen Denkens gelten. Schließlich operieren ihre VertreterInnen nicht nur mit einem positiven Naturbegriff, darĂŒber hinaus verweisen die diversen BegrĂŒndungsmodi eines „falschen Wachstums“ auf eine strukturell antisemitische Ideologie, deren Ursachendiagnostik bezĂŒglich der Krise sich ausschließlich auf das dĂ€monisierte Finanzkapital und den inkriminierten Zins kapriziert. FĂŒr die assoziative Grundgesinnung des postmodernisierten Linksradikalismus bedĂŒrfte es hierbei keinerlei dialektischer BegrĂŒndung mehr, zumindest dort, wo derartige Sachverhalte noch einem Anspruch der Kritik unterliegen: Naturversessenheit und struktureller Antisemitismus – na, wenn das kein völkisches Denken ist... Allerdings handelt es sich hierbei um einen Trugschluss. Denn dass struktureller Antisemitismus und ein problematischer Naturbegriff gleichwohl zu Bestandteilen liberaler Gesinnung gerinnen können, soll an ausgewĂ€hlten Texten jener „Postwachstumsbewegung“ rekonstruiert werden. In diesem Sinne wird der erste Teil des Vortrags einen erkenntnis- und ideologiekritischen Durchgang durch zentrale Referenztheorien der Postwachstumsideologie (Immanuel Kant/ Silvio Gesell) versuchen, um den gemeinsamen epistemologischen Bezugsrahmen einer liberalen Zins- bzw. Geld„kritik“ offenzulegen, um sodann ihre zentrale Kategorie in den Fokus zu rĂŒcken: Die Natur. Auch weitere wichtige Aspekte der Postwachstumsbewegung (RegionalwĂ€hrung, quasi subsistenzwirtschaftliche Arbeitsformen, neue MaßstĂ€be des Wachstums etc.) werden dabei einer Kritik unterzogen und in den Kontext der Fundamentalkrise gerĂŒckt, deren konstitutiver Bedingungszusammenhang fĂŒr jene liberale „Kritik“ des Wachstums evident ist.

Wir verweisen auch auf den Text Liberalismus in der Fundamentalkrise: Eine Kritik der „Postwachstumsbewegung“ sowie in verĂ€nderter Fassung »Postwachstum« oder die Krise der Vernunft. Zu einem Syndrom liberaler Fortschrittslosigkeit.

Daniel SpÀth war Mitglied der Redaktion der Theoriezeitschrift EXIT!. Weitere Texte von Daniel SpÀth auf exit-online.org [=> AutorInnen].