Mai 2018

Exit!-Lesekreis in HH zur Wert-Abspaltungskritik im CENTRO SOCIALE, Sternstraße 2, 20357 Hamburg, und zwar

  • jeden zweiten Donnerstag im Monat um 19:30 Uhr im Eck-BĂŒro zu einem aktuellen Thema aus wert-abspaltungs-kritischer Perspektive.
  • jeden vierten Donnerstag im Monat um 19:30 Uhr im Raum Kubus zu einem theoretischen Text.

Hinweis 1: in diesem Monat wird das Treffen zu einem aktuellen Thema aufgrund eines Feiertages vom zweiten Donnerstag auf den dritten verschoben. Zudem findet das Treffen NICHT im Centro Sociale statt. Wer teilnehmen möchte, setze sich bitte unter kontakt [at] exit-lesekreis-hh.de mit uns in Verbindung.

Hinweis 2: in diesem Monat fÀllt das Treffen zu einem theoretischen Text aufgrund mangelnder Beteiligungsmöglichkeiten der festen Mitglieder des Lesekreises aus.

Am Donnerstag, den 17. Mai steigen wir in Digitalisierung als neuem, aktuellem Thema ein. Wir diskutieren den Artikel Automatische Moderne Light aus Karoshi Nr. 2 von Claus Peter Ortlieb.

Am Donnerstag, den 24. Mai setzen wir unsere Auseinandersetzung mit dem Buch von Roswitha Scholz Das Geschlecht des Kapitalismus fort. Wir machen weiter mit dem zweiten Teil: Feministische TheorieansĂ€tze, hier II. Geschlecht im warenproduzierenden Patriarchat, 3. GeschlechterverhĂ€ltnisse als ProduktionsverhĂ€ltnisse (Frigga Haug) (S. 93 – 108).  Achtung:  Dieser Termin verschiebt sich auf den 28. Juni 2018 – gleiches Thema und Zeit – allerdings ausnahmsweise im Vorraum Kolleg (Centro Sociale) !

NeuzugÀnge sind herzlich willkommen.

Kontakt: kontakt [at] exit-lesekreis-hh.de

Nach Postone

Wir können an dieser Stelle nur auf die Inhaltsangabe und die Zusammenfassung aus dem Editorial von EXIT! 12 verweisen. Der komplette Text ist leider nicht online verfĂŒgbar. Sollte dies der Fall sein, werden wir darauf hinweisen.

Roswitha Scholz
NACH POSTONE

Zur Notwendigkeit einer Transformation der fundamentalen Wertkritik. Moishe Postone und Robert Kurz im Vergleich – und die Wert-Abspaltungskritik

Inhalt:

  • Einleitung
  • Die Grundargumentation von Postone
  • Methodologischer Individualismus, Struktur – Handlung u. Ă€.
  • Warenform und Kapitalform
  • Geld – Zirkulation – Kapitalform – Mehrwert
  • VerhĂ€ltnis von abstrakter und konkreter Arbeit
  • Abstrakte Zeit, konkret historische Zeit, biographische Zeit, lebensweltliche Zeit und die konkrete Zeit des Zerfalls des Kapitalismus
  • RevolutionĂ€res Subjekt und Mittelstandsvergesellschaftung
  • Wert-Abspaltung, fragmentierte TotalitĂ€t und soziale DisparitĂ€ten: Einige notwendig unvollstĂ€ndige Bemerkungen zum Kontext der Wert-Abspaltung als gesellschaftlichem Basiszusammenhang

Aus dem Editorial von EXIT! Heft 12:

In dem Text mit dem Untertitel „Zur Notwendigkeit der Transformation einer ‚fundamentalen Wertkritik‘. Moishe Postone und Robert Kurz im Vergleich – und die Wert-Abspaltungskritik“, legt Roswitha Scholz das Augenmerk auf die Unterschiede zwischen Kurz und Postone unter dem Gesichtspunkt des (von Kurz inkriminierten) „methodologischen Individualismus“. Formelhaft ausgedrĂŒckt verhĂ€lt es sich so: WĂ€hrend Kurz darauf pocht, das „Kapital“ als Ganzes zu lesen und erst danach die Warenform in den Blick nimmt, wobei dem dritten Band des „Kapital“ gerade fĂŒr den realkategorischen Prozess eines heute auch empirisch beobachtbaren Zusammenbruchs/Verfalls des Kapitalismus Bedeutung zukommt, setzt Postone an den ersten 150 Seiten des Kapitals an und entwickelt hieraus den Gang des Kapitalismus, ohne krisentheoretische Konsequenzen. Postone rekurriert grundsĂ€tzlich auf die Warenform, Kurz auf die Kapitalform. Postone verficht dabei implizit einen Standpunkt, der ideologisch tendenziell mittelschichtsgefĂ€llig ist, nicht zuletzt, weil er vor allem die Ökologie in den Vordergrund rĂŒckt, wĂ€hrend Kurz, durchaus der ökologischen Frage gewahr, Mittelschichtsinteressen gleichzeitig als Ideologie entlarvt; bei Postone existiert eine „innere Schranke“ im Grunde bloß auf der Ebene der Ökologie, nicht aber der Ökonomie. Postone und Kurz (zumindest in seinem letzten Buch „Geld ohne Wert“) bewegen sich dabei beide auf der Ebene des Kapitals als Gesamtprozess. Die Ebene einer negativ dialektisch verstandenen „Abspaltung des Weiblichen“ vom (Mehr-)Wert kommt bei beiden nicht bzw. bloß nebensĂ€chlich vor. Aus der Sicht der Wert-Abspaltungskritik mĂŒssten jedoch die verschiedenen Ebenen, die materielle, die kulturell-symbolische und – last, but not least – die psychoanalytische Ebene in ihrer dialektischen VerschrĂ€nktheit und damit gleichzeitigen Geschiedenheit in ihrer prozesshaften Entwicklung zueinander in Beziehung gesetzt werden. Nur so ließe sich die negative TotalitĂ€t, jenseits eines androzentrischen methodologischen Individualismus, wie auch ein androzentrischer Universalismus ĂŒberwinden, der ĂŒberhaupt den krisenhaften Zerfall des kapitalistischen Patriarchats erst wesentlich ausmacht.

Daniel SpÀth/ Gruppe EXIT!: Querfront allerorten

21.06.2018 (Do, 20h), Vortrag und GesprĂ€ch im CENTRO SOCIALE, Sternstraße 2, 20357 HH, Saal

Es ist noch keine fĂŒnfzehn Jahr her, dass die kategoriale Krisentheorie der Wert-Abspaltungs-Kritik innerhalb der Linken mal als abgehoben, sektenhaft oder schlicht irrational abqualifiziert wurde. Noch die scheinbar unterschiedlichsten Strömungen kamen darin völlig ĂŒberein, dass die Theorie einer Entwertung der Wertsubstanz eine wilde Spekulation sei, die, abgehoben und der realen empirischen Dynamik entgegen, auf luftigen theoretischen Begrifflichkeiten basiere und keinerlei Entsprechung in der kapitalistischen Entwicklung habe. Quer durch die Bank erfreute sich die Gesellschaftskritik an der scheinbar ungetrĂŒbten Akkumulation des Weltkapitals, die sie sich ganz sicher nicht von einer radikalen Krisentheorie verderben lassen wollten. Eine Entsprechung hatte diese grundlegende Aversion gegen die Krisentheorie auch im Postfeminismus der dritten Frauenbewegung, fĂŒr den ein Zerfall der Wert-Abspaltungs-Form undenkbar erschien, denn auch dieser könne ja kurzerhand dekonstruiert werden.

Doch seit der Finanzkrise von 2007/8 ist die Krise auf einmal in aller Munde, auch im Linksradikalismus. So umfassend die linke Aversion gegen die radikale Krisentheorie vor dem Ausbruch der Finanzkrise auch war, in dem neuen Geraune um die „Krisen“ nach 2008 verlĂ€ngert sich nicht nur die inhaltliche AbrĂŒstung postmodernisierter Theoriefeindlichkeit, die den fetischistischen Gesamtzusammenhang in phĂ€nomenologische Einzelkrisen auflöst; darĂŒber hinaus zieht sich noch durch diese oberflĂ€chlichen „Krisen“-Analysen ein bĂŒrgerliches Urvertrauen hindurch, das wie jeher, und vielleicht sogar noch blindwĂŒtiger als je zuvor, an der ewigen Existenz der globalen Wert-Abspaltungs-Vergesellschaftung festhĂ€lt.

Insofern konnte die linke Gesellschaftskritik vom fortgeschrittenen Ausdruck der globalen Zerfallsprozesse nur mehr ĂŒberrumpelt werden: Der Faschisierung auch der westlichen Zentren des Weltkapitals. Der kleinste gemeinsame analytische Nenner, der eine anachronistische „Wiederkehr des Nationalismus“ auszumachen sich anstrengt, schrammt deshalb auch konsequent an der konkret historischen und gesellschaftlichen Kritik des Neofaschismus vorbei, der weder eine Wiederkehr noch einen Nationalismus verkörpert, sondern im Gegenteil aus der aktuellen gesellschaftlichen Tendenz eines Zerfalls nationalstaatlicher SouverĂ€nitĂ€t hervorgetrieben wird.

Die wohlfeile Einrichtung der Gesellschaftskritik im postmodernen Zerfallsprozess des Kapitals, die sich bis zur Finanzkrise von 2008 noch dem relativen Spielraum des westlichen Kapitals innerhalb der fundamentalen Krise verdankte, beginnt sich bitter zu rĂ€chen, weil es unter den zunehmend verwilderten VerhĂ€ltnissen keine seichte Affirmation der Wert-Abspaltungs-Vergesellschaftung mehr geben kann. Die anachronistische und theoretische FehleinschĂ€tzung des Neofaschismus von linker Seite ist nur das Pendant einer ideologischen Barbarisierung, die allerdings Zug um Zug davon Auskunft gibt, dass die Linke dieselben theoretischen PrĂ€missen wie der Neofaschismus teilt, auch wenn man/frau sich innerhalb dieser basalen Gemeinsamkeit um Abgrenzung bemĂŒht – eine bestenfalls oberflĂ€chliche Abgrenzung indessen, die zunehmend in Querfrontprozesse umschlĂ€gt, die binnen weniger Jahre eine erstaunliche Verbreitung erreicht haben.

In diesem Sinne wird der Vortrag „Querfront allerorten“ versuchen, den realen gesellschaftlichen Bedingungszusammenhang der globalen Fundamentalkrise nachzuzeichnen, dessen zugespitzter Entwertungszwang den realgesellschaftlichen Hintergrund fĂŒr die Neofaschisierung der westlichen Zentren abgibt. Die daran anschließende ideologiekritische Analyse des deutschen Neofaschismus wird durch eine Analyse der linken Gesellschaftskritik ergĂ€nzt werden, um sodann die nicht nur ideologischen, sondern mitunter offen praktizierten Querfrontbestrebungen zwischen rechts und links in den Fokus zu nehmen.

Siehe auch den Text QUERFRONT ALLERORTEN! Oder: Die „Neueste Rechte“, die „neueste Linke“ und das Ende gesellschaftskritischer Transzendenz aus EXIT!, Heft 14

Zum Referent_en: Daniel SpÀth, freier Publizist und Redakteur der Theoriezeitschrift EXIT!

 

AnkĂŒndigung als [.pdf].

Die Veranstaltung (und unser Interview mit Daniel SpÀth) könnt ihr unter der Kategorie  Radio FSK anhören.