
08.09.2017 (Fr, 20h), Vortrag und GesprĂ€ch im CENTRO SOCIALE, SternstraĂe 2, 20357 HH, Saal
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks in den 1990er Jahren feierte der Neoliberalismus Triumphe. Auch im Feminismus kam es dabei zu VerĂ€nderungen. Die Frauenforschung mutierte zur Genderforschung. Judith Butlers prominentes Buch âDas Unbehagen der Geschlechterâ war dabei eine Art Klammer zwischen Gender- und Queer-Orientierung. MĂ€nnlichkeit und Weiblichkeit wurden nun als diskursiv hervorgebracht gedacht und sollten in der Travestieshow radikal unglaubwĂŒrdig gemacht werden. War bis zu den 1990ern von Patriarchat und ZwangsheterosexualitĂ€t die Rede, so ging es nun in einer kraftlos neutralisierenden Sprache eben um Gender und âHeteronormativitĂ€tâ. In den Medien war viel von der Verwirrung der Geschlechter die Rede. Dem Neoliberalismus mit seinen Flexi-Anforderungen an die Individuen kam dies zu pass. Manche Linke dachten nun jedoch schon das Ende von Patriarchat und HeterosexualitĂ€t sei gekommen.
Schon frĂŒher, insbesondere aber seit dem Finanzcrash 2007/8 wird nun mehr als deutlich, dass ein oberflĂ€chliches Gendern und Queeren von Sprache, den Medien, von Politik, Ăkonomie usw. nicht ausreicht das dominierende Hetero-Patriarchat zu unterminieren, wenn die VerhĂ€ltnisse immer prekĂ€rer werden. Es kam zu einem massiven Rechtsruck (AFD, Pegida, Querfrontbewegungen), der u.a. im Versuch der Restaurierung traditioneller Geschlechtsmuster bis hin zur Gewalt gegen Schwule, Lesben und Transpersonen zeigt. Man(n) trĂ€gt sozusagen wieder Bart. Ăberdeutlich wird nun auch, dass objektive, materielle Strukturen und die psychische Disposition der Subjekte nicht auĂer Acht gelassen werden können und eine hĂ€rtere Gangart gegenĂŒber den kapitalistisch-hetero-patriarchalen ZustĂ€nden einzuschlagen ist. Dabei ist allerdings zu reflektieren, dass (u. a. querfrontartige) Verwerfungen auch in feministischen und LGBT-Bewegungen sichtbar werden, wie etwa auch die Diskussion um den Band âBeissreflexeâ zeigt. Man/frau sollte sich auf keinen Fall davon tĂ€uschen lassen, dass die AFD in aktuellen Wahlumfragen wieder Stimmen verloren hat.
Zur Referent_in: Roswitha Scholz, geboren 1959, Diplom-SozialpÀdagogin, freie Publizistin und Redakteurin der Theoriezeitschrift EXIT!, Zeitschriften-Publikationen und Buchveröffentlichungen.
Aufnahme
Einleitung:
Vortrag:
GesprÀch:
Literaturhinweise
- Das Geschlecht des Kapitalismus. Feministische Theorie und die postmoderne Metamorphose des Patriarchats. Horlemann Verlag, Bad Honnef 2011
- Das Abstraktionstabu im Feminismus. Wie das Allgemeine des warenproduzierenden Patriarchats vergessen wird. Aus: EXIT! Krise und Kritik der Warengesellschaft, Heft 8, Juli 2011
- Die Bedeutung Adornos fĂŒr den Feminismus heute. RĂŒckblick und Ausblick auf eine widersprĂŒchliche Rezeption. Aus: EXIT! Krise und Kritik der Warengesellschaft, Heft 10, Dezember 2012
Verweise